In mehreren Testphasen des Förderprojektes „Digitale Dörfer“ lotete ein Team des Fraunhofer-Instituts für Experimentelles Software Engineering die digitalen Möglichkeiten im ländlichen Raum aus. Nicht zuletzt ging es den Forschern um das Gemeinwohl und dessen möglicherweise digital gestützten Grundvoraussetzungen in der Zukunft. Die rheinland-pfälzische Verbandsgemeinde Betzdorf war eine von drei Pilotstandorten.

Die Frage nach der Zukunft des Online-Marktes war im März 2017 noch nicht geklärt. Momentan (Stand: April 2020) steht der Online-Marktplatz trotz eines bundesweiten Runs auf lokale digitale Vertriebsinfrastrukturen und Lieferservices nicht mehr zur Verfügung.

Das Projekt begann im Juli 2015, endete als „Phase 1“ im Dezember 2016 und lief seit Januar 2017 in der „Phase 2“. Übergreifende Ziele waren es, insbesondere Antworten auf Landflucht und Strukturwandel zu finden, die die Nahversorgung in ländlichen Regionen und Dörfern vor große Herausforderungen stellen. Und so waren die Themenschwerpunkte der ersten Phase Nahversorgung und Ehrenamt, während die zweite Phase mit Diensten zur Vernetzung der Gemeinschaft, weiteren Piloten und sog. „Living Labs“ vor Ort in den Gemeinden ausgefüllt werden sollten. Am 1. Januar 2020 wurde die Verbandsgemeinde Betzdorf/Gebhardshain neu gegründet, nimmt allerdings weiterhin am Projekt „Digitale Dörfer“ teil. Die beiden Apps „DorfNews“, eine Nachrichten-App, sowie „DorfFunk“, eine Kommunikationsplattform, werden im Rahmen der Initiative weiter fortgeführt.

In Betzdorf wurde wie auch in den Verbandsgemeinden Eisenberg/Göllheim u. a. ein lokaler Online-Marktplatz installiert. Darüber hinaus aber kamen auch mobile Apps zum Einsatz, die vor allem zeigen sollten, das eine dachgesteuerte Plattform vonnöten ist, um Bürger, Unternehmen und die Kommune miteinander relevant und mehrwertstiftend zu vernetzen. Zu den einzelnen Elementen zählten:

  1. Die „BestellBar“, der eigentliche Online-Marktplatz, auf dem die Bürger vorwiegend lokale Produkte bestellten.
  2. Ehrenamtlich tätige Personen aus der Gemeinde übernahmen dabei die Auslieferung. Hierbei half die „LieferBar-App“, mit der die Aufträge platziert und Kapazitäten der freiwilligen Lieferboden organisiert wurden.
  3. Die „TauschBar-App“ wiederum wurde in der letzten Phase des Projekts eingeführt. Hier ging es vornehmlich um das Leihen und Verleihen von Werkzeugen, aber auch um die elektronische Organisation von Mitfahrgelegenheiten.
  4. Mit der virtuellen Währung „DigiTaler“ wurden freiwillige Leistungen vergütet. Als übertragbares „Zahlungsmittel“ wiederum konnte er auch eingesetzt werden um Leistungen in Anspruch zu nehmen. Dies reichte sogar soweit, dass damit auch die Versandkosten für Lieferungen von Marktpplatz-Händlern abgegolten werden konnten.
  5. Neben der taggleichen Lieferung wurde auch ein zentraler Abholort in einem REWE-Lebensmittelmarkt eingerichtet. Dort stand eine per QR-Code-Verfahren elektronisch gesicherte Abholbox für Marktplatz-Bestellungen.

Die Ergebnisse der als „Citizen-Science-Projekt“ bezeichneten Initiative wurden am 24. November 2016 vorgestellt. Der Tenor war demnach durchweg positiv:

„Die Testphasen haben gezeigt, dass die Bereitschaft, sich über digitale Lösungen zu vernetzen und sich in der Gemeinschaft unentgeltlich einzubringen, ausgesprochen groß ist. Durch die Vernetzung der Bürger mittels der Plattform kommt es zu Bewegung in allen Bereichen. Das Projekt »Digitale Dörfer« hat bewiesen: Die Digitalisierung bewegt das Land – heute und in Zukunft.“

Bewertung durch LocalCommerce.info

Wie etwa auch das Projekt „Große Emma“ des Ostdeutschen Sparkassenverbands, greifen die „Digitalen Dörfer“ ein heißes Eisen an: Hier im ländlichen Raum verdichten sich Landflucht, demografischer Wandel und wegbrechende Nahversorgung zu einer problematischen Gemengelage, die förmlich nach innovativen Lösungen schreit. Ob es aber immer eine digitale Lösung sein muss, sei dahingestellt. Nach Beendigung des Testzeitraums im November 2016 wurde jedenfalls eine mögliche Anschlussfinanzierung eruiert.

Sicherlich hätte man sich gewünscht, dass der operative Betrieb nach Beendigung der drei Testphasen aufrecht erhalten bleibt. Vierwöchige Pilotstrecken sind sicherlich kein Gradmesser für ein stabiles Local-Commerce-Konstrukt – selbst wenn die Verortung im ländlichen Raum eine derartige digitale Initiative um ein Vielfaches mehr herausfordert als etwa in Ballungsräumen oder Großstädten.

Aus vereinzelten Presseberichten hörte man heraus, dass das lokale Engagement weniger stark als erhofft war und sich insbesondere der Rückgriff auf ehrenamtliche Lieferanten aus der Nachbarschaft als schwierig herausstellte.

Aus Sicht von LocalCommerce.info könnte vor allem eine transparente Kommunikation der Ergebnisse auf der Projektseite hilfreich sein. Mit How-to-Videos hatte man sich ungleich mehr Mühe gegeben (siehe unten).

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