Im Sommer 2016 starteten auch die Händler der Stadt Weinheim mit einer digitalen City-Initiative. Allerdings baut man an der Bergstraße nicht auf einen klassischen lokalen Online-Marktplatz mit hinterlegtem Shopsystem, sondern auf eine weniger komplexe, aber dennoch pflegeintensive datenbankgestützte Produkt- und Markensuche. Ein ähnliches Modell wurde bereits vor einigen Jahren in Mettmann mit dem ProFiMe eingeführt.

Gelungene Umsetzung

Als eine der wenigen digitalen City-initiativen ist es Weinheim gelungen, einen großen Filialisten, den Bau- und Heimwerkermarkt OBI, mit an Bord zu ziehen. Die Berührungsängste zwischen inhabergeführten Geschäften und Filialisten sind zwar nachvollziehbar, aber unter dem Dach einer Online-Initiative wenig zielführend. Geht es doch vornehmlich um eine möglichst breite Abdeckung des stationären Angebots auch im digitalen Raum. Hier ist der reduzierte Ansatz der durch Suchanfragen zu filternden Schaufensterprofile sicherlich hilfreich. Filialisten sind auf der Ebene der Produktwelt, d. h. auf Online-Marktplätzen mit Shopfunktionalität schon qua Masse an Produkten im Vorteil – etwa durch den Anschluss einer Warenwirtschaft oder schlicht und ergreifend durch das Vorhandensein von Produktinformationen in digitaler Form. Dies spielt in Weinheim keine Rolle. Man begegnet sich in gewisser Hinsicht „auf digitaler Augenhöhe“. Dies kann sicherlich als Verdienst der Projektmoderation vor Ort gewertet werden.

Gut gelöst ist die geografische Gliederung der teilnehmenden Geschäfte nach bekannten Straßennamen und Shopping-Centern bzw. -Galerien. Da man hier schon visuell anhand einer Google-Map den Nutzer führt, hätte man sich allerdings auch gleich die Integration des Parkplatzangebots in der Stadt gewünscht. An diesen Details wird deutlich, dass der Programmieraufwand für das Frontend der Seite nicht allzu hoch angesetzt worden sein kann.

Optimierungsbedarf

Wie „anfällig“ ein datenbankgetriebenes Schaufenster-Marktplatzmodell ist, beweist die Suchanfrage nach der Marke „Adidas“. Statt eines zu erwartenden Schuh- oder Sportmodehändlers bekommt man einen Optiker als Ergebnis angezeigt. Auch wenn der Brillenhändler höchstwahrscheinlich Sport- oder Sonnenbrillen der Marke Adidas führt, ist das Ergebnis der Suche natürlich unbefriedigend. Und selbst wenn keines der gelisteten Geschäfte Adidas-Schuhe im Sortiment führen würde, stellt sich beim geneigten Kunde die Frage nach der Relevanz der Plattform.

Dass die tatsächlich geführten Marken und Warenkategorien (z. B. Sportschuhe) auch in den einzelnen Schaufensterprofilen nicht selbstverständlich aufgeführt werden, hat strategische Gründe. Mitunter ist nicht der Plattformbetreiber selbst für den Mangel an Markenangaben verantwortlich, sondern Händler, die die geführten Marken nicht veröffentlichen wollen. Diese irrwitzige Einstellung aus den analogen Zeiten des selektiven Vertriebs mit geografischen Vertriebshoheiten, Markenschutzmaßnahmen der Hersteller und Exklusivansprüchen der Händler ist in einer stationären Handelswelt, die zunehmend durch RoPo-Effekte (Research online, Purchase offline) geprägt ist, natürlich kontraproduktiv.

Erfolgreiche Optimierung

Allerdings hat der Infrastrukturgeber 42medien hier nun einen sehr passablen Kompromiss hergestellt. Nach einer Optimierung der plattformeigenen Suche, werden bei der Eingabe von Suchbegriffen nun per Dropdown-Anzeige Ergebnisvorschläge gemacht. Sowohl die den Händlern zugeordneten Warenkategorien wie „Sportschuhe“ als auch die zugeordneten Markennamen werden darin hervorgehoben. Die Datenbank, das ist entscheidend, wird im Hintergrund gepflegt und es wird ausschließlich bei der Suche auf sie zurückgegriffen. In den Profilen selbst sind Markennamen und Produktkategorien nur veröffentlicht, wenn der Händler zugestimmt hat.

Fazit

42medien und den lokalen Initiativpartnern ist mit Einkaufen-in-Weinheim.de ein auf den ersten Blick sinnvolles, weil niederschwelliges Digitalangebot für mehr Sichtbarkeit der stationären Geschäfte gelungen. Es wurde bewusst auf die konkrete Kontaktanbahnung zwischen Internetnutzer und lokalem Geschäft fokussiert. Der Produkt- und Markenfinder hatte anfangs konzeptionelle Kinderkrankheiten, die man mit einem gelungenen Kompromiss aus dem Weg geräumt hat.

Der Pflegeaufwand des teilnehmenden Händlers ist gering. In ersten Bewertungen der Betreiber hört man eine positive Entwicklung des Angebots heraus: So seien im Oktober 2016 im Schnitt rund 580 Seitenbesucher pro Tag gezählt worden. Daraus hätten sich ca. 170 konkrete Suchanfragen pro Tag ergeben (siehe Presseartikel). Die relativ niedrige Einbeziehung des einzelnen Händlers in die Optimierung der Plattform – etwa durch das Listen von Produkten oder den Anschluss an ein Warenwirtschaftssystem – könnte aber auch die Sollbruchstelle der Initiative sein. Schließlich werden hier Händler nicht zwingend fit gemacht für mehr Digitalkompetenzen oder Multichannelprozesse.

So besteht die Gefahr, dass die Dienstleistung einer Schaufensterlösung zwar angenommen wird, bei ausbleibendem Erfolg und unter der Berücksichtigung von 120 bis 180 Euro Jahresgebühren als wenig sinnvoll erachtet wird. Sinnvoll heißt im konkreten Fall: stetig steigende, über die Plattform ausgelöste Anrufe beim lokalen Händler oder Kontaktaufnahmen über das Formular des Händlerprofils.